Hopp Hopp, oder, Nix da, ich brauch jetzt wirklich Ruhe! (Teil 1)
Geht’s euch auch so?
Es ist gerade Luft und ihr könntet durchatmen, da steht Max parat. Max heißt mein kleines Männchen, welches mit der Peitsche bereit steht und mich voran treibt.
Aber beginnen wir von vorn.
Irgendwann, wohl in meiner Jugend, lernte ich Max kennen. Ganz genau kann ich nicht sagen, wann ich dieses überaus charmante und dennoch mit unendlicher, unermüdlicher Energie geladene Männchen kennengelernt habe. Es begann eines nachts. Im Grunde ganz harmlos. Meine Füße kamen irgendwie nicht zur Ruhe. Der kleine Max saß nämlich in meiner Ferse und anstatt er sich einfach ablegte, um zu schlafen, trieb ihn sein Schalk, den er im Nacken sitzen hatte. Dieser Schalk also, veranlasste Max dazu, seine Strickleiter auszuwerfen und in meinem Bein nach oben zu klettern, über den Beckenknochen hinauf bis zum Bauchnabel. Ich könnt schwören, er hat da sicher mal durch den Bauchnabel rausgeschaut, aber ja, ich weiß, dass das Unfug ist und nicht geht. Allerdings in meiner Vorstellung sehe ich ihn unverschämt grinsend zu mir hinaufblicken. Dann schlüpft er wieder zurück. Platziert sich geschickt und holt mit einer unschlagbaren Wollust seine Peitsche hervor.
Wo hatte er die nur versteckt? Frag ich mich heute.
Wie gesagt, er holt diese Peitsche, überprüft Millimeter für Millimeter das Leder, um dann mit seinem jubelnden Schalk im Nacken und einer solch vereinnahmenden Inbrunst auszuholen, so dass die Peitsche knallt. Für mich war das wie ein Hammerschlag.
Zack – Wach!
Da lag ich wohl, so wie seit her viele unzählige Male. Wach! Obwohl ich durch die ausdauernden zu erledigenden Aufgaben mich echt nicht mehr in der Lage fühlte, auch nur annähernd die kleinste Kleinigkeit zu tätigen, lag ich wach.
Was war das nur? Ich spürte hin. Spürte, wie ein Kribbeln in der Bauchmitte, quasi den Bauchnabel umkreist. Eben nur von innen. Mein Puls wird schneller, schon allein deswegen, weil ich genervt bin, will ich doch eigentlich schlafen.
Jetzt war ich wach.
Seither ereilte mich dieses Gefühl nicht nur in der Nacht. Es holt mich auch am Tag ein, immer dann, wenn ich zur Ruhe kommen kann, will und muss. Dann steigt Max nach oben, knallt mit seiner Peitsche, dass Kribbeln beginnt und ich denke: „Ich kann doch nicht NICHTS tun!“, Max hat recht. Ich muss meinem Job nachgehen, dann muss ich das Bad putzen, sollte noch bügeln, die Waschküche muss auch mal aufgeräumt werden und außerdem, ja, und außerdem …
Irgendetwas finde ich immer, getrieben von Max, der mir keine Ruhe lässt, und mich nicht nur am Tag antreibt, sondern auch nachts wach hält. Nachts belastet es mich tatsächlich sehr, denn ich bin erschöpft vom Tag, von der Woche, von den letzten Wochen. Da sind unausgesprochene Aufgaben, die mir durch die ermüdenden Gedankenzonen schwirren und ich ertappe mich dabei, dass ich denke, ja, aber das hat doch noch Zeit. Da, ein Knall, die Peitsche zwirbelt durch die Luft und das Kribbeln nimmt wieder zu. Mittlerweile hat es sich ausgeweitet. Ich spüre es sogar in den Armen und Beinen, in den Händen, manchmal sogar im Gesicht.
Und jetzt?
Max geht es gerade nicht gut. Er ist krank. Seine Peitsche hat Risse bekommen. Warum? Ganz einfach! Ich tue nichts und lass mich auch von Max nicht drängen, schubsen oder antreiben. Ich will nicht, nein, ich muss sagen, ich kann nicht. Ich muss mich erst erholen, und selbst dann, wenn ich mich erholt habe, werde ich mich nicht mehr antreiben lassen.
Ich habe einen Plan.
Einen starken, mich fordernden, zur Ruhe bringenden Plan. Ich tue nichts, ganz bewusst, und dass so lange, bis ich merke, dass Max nicht mehr kann, keine Kraft mehr hat und die Peitsche zerbröselt.
Ich lese, schwimme, singe, höre Musik, entspanne, schreibe, male, atme, genieße und vieles mehr. Und ich hatte sogar schon erste Erfolge. Ich hatte schon Tage, an denen Max nicht hochgeklettert ist. Sein Schalk hat ihn verlassen und ich werde alles tun, dass er nicht mehr zurückkommt. So langsam werde ich wieder Herr über mich selbst, fühle mich weniger fremdbestimmt. Spüre, wie ich selbst entscheide, was ich tun will.
Was mache ich denn jetzt?
Nichts!
©Manuela Maer