Das Bücherfestival im LA8 in Baden Baden hat sehr viel Spaß gemacht. Die Vorträge mit den Kindern und das im Anschluss erarbeiten einer Geschichte, ganz besonders. Lotta und Hermann haben fleißg mit großem Ideenreichtum den Verlauf der Geschichte gestaltet. Ich hatte die Ehre, diese Geschichte für sie zu schreiben, obwohl ich nicht in diesem Genre zu Hause bin. Dennoch denke ich, ist sie mir gut gelungen. Viel Spaß beim Lesen.
Blaue Gummistifel und Gewitter
Stolz hing Emin, der Kreuzspinnerich, in seinem kunstvoll gewebten Netz. Harte Arbeit war es gewesen, in der letzten Nacht. Mit allergrößter Sorgfalt hatte er sich die Äste und Halme ausgesucht, an denen er seine Grundfäden befestigen konnte. Ein paar Lavendel und einige Dahlien gaben ihm am Ende die notwendige Sicherheit. Jetzt hing er in der Mitte, hielt mit seinem linken Vorderbein den Spürfaden und leckte sich den Morgentau von den Beinen. Heute würde es wohl einen sonnigen Tag geben, dachte er. Vergnügt sah er zu, wie die Sonne mit ihren Strahlen den Garten langsam in ein glitzerndes Meer tauchte. Überall funkelten die Tautropfen auf den Blättern, selbst an den Fäden seines Netzes.
In der Nachbarschaft, nicht weit entfernt, kroch Ludwig, die Gartenmaus, müde und verschlafen aus seinem Versteck unter dem Spielhaus. Es ragte hoch in den Himmel, auf vier dicken runden Stelzen. Langsam tupfte Ludwig sein Pfötchen in einen Tautropfen und wusch sich damit sein fluffiges Gesicht. Dabei hatte er sein Frühstück schon im Blick. Unzählige saftige Getreidehalme wuchsen unter dem Magnolienbaum. Die Getreidesamen waren im vergangenen Winter aus dem Vogelhaus gefallen, welches im Winter im Magnolienbaum hing. Bevor er loszog, verschwand er eilig in seine Mäusehöhle. Dort zog er seine regenbogenfarbigen Gummistiefel über und hüpfte los.
In der Zwischenzeit schob Luis die Schnecke seinen Kopf aus dem Schneckenhaus heraus. Die warmen Sonnenstrahlen hatten ihn wachgekitzelt. Lächelnd sah er, wie Ludwig, die Gartenmaus, davonsprang. Luis klebte am Geländer des schönen Spielhauses. Bevor er sich auf den Weg machte, nahm er einen großen Schluck Wasser aus dem Tautropfen, der neben ihm am Geländer hing. Er hatte vor, hinüber zum Magnolienbaum zu wandern und hoffte, dass er es bis zur Dunkelheit schaffen würde.
Emin, der Kreuzspinnerich, sah, wie Ludwig in seinen regenbogenfarbigen Gummistiefeln vorbei huschte. Er freute sich mit seinem Nachbarn. Was niemand wusste, auch er wünschte sich schon lang Gummistiefel. Letzte Woche hatte er sich endlich überwunden und welche bei Otters bestellt. Die Familie Otter betrieben nämlich einen Laden für allerhand Dinge, unter anderem machten sie Gummistiefel, für jeden, der welche haben wollte. Emin war schon ganz aufgeregt, weil heute die Gummistiefel geliefert werden sollten. Angestrengt horchte er auf Geräusche, die die herannahende Lieferung ankündigen würden.
„Juhuuuu!“, kreischte plötzlich einer der beiden Marienkäfer. Auf Skateboards sausten sie hintereinander über den lehmigen, feuchten Boden, mitten durch den Garten. Das Lachen und Gekichere der beiden hallte laut zwischen den Grashalmen hindurch. Da war Pia, sie war jung, dynamisch, hatte eine lila Farbe und glänzende schwarze Punkte. Ihr Bruder Grocko war grün mit schwarzen Punkten. Er war ein Jahr älter als Pia.
Diese beiden Marienkäfer also, sausten durch den Garten. Ihre Arbeit war es, die Sachen, die Familie Otter herstellte, auszuliefern.
Einige Minuten später hielten die Marienkäfer Pia und Grocko juchzend unter dem glänzenden Netz. „EEEMIIIIN!“, rief Pia. „Deine Lieferung ist da.“ „Komm runter!“, rief Grocko. „Du musst sie anprobieren!“ Emins kleines Herz hüpfte vor Freude. Seine Gummistiefel waren angekommen.
Schnell band er den Spürfaden an der Seite fest und seilte sich mit einem anderen Spinnfaden ab. Die Marienkäfer Pia und Grocko hatten jeder vier blaue Gummistiefel in ihren Rucksäcken, die sie nach und nach in einer Reihe auf den Boden stellten. Emin näherte sich ehrfürchtig. Er war ganz aufgeregt und tänzelte auf der Stelle. Pia bemerkte Emins Aufregung und lächelte vergnügt. Deswegen machte ihr diese Arbeit so viel Freude, weil jeder, der eine Lieferung bekam, glücklich war. Sie nahm einen der Gummistiefel, trat vorsichtig an Emin heran und half ihm, mit einem seiner acht Füße hineinzuschlüpfen. Er passte wie angegossen. Schnell waren auch die sieben anderen blauen Gummistiefel angezogen und fröhlich betrachtete Emin seine Füße. Er freute sich sehr und bedankte sich herzlich bei den beiden Marienkäfern, für die schnelle Lieferung. Langsam und stolz zog er sich wieder hinauf, in die Mitte seines Netzes. Es wackelte. Der Wind hatte zugenommen.
Die Sonne stieg höher und die Luft erwärmte sich dabei immer mehr. Plötzlich zogen im Süden dunkle Wolken am Horizont auf. Der Wind wurde stärker und die Wolkentürme näherten sich mit rasantem Tempo. Jeder wusste, was das zu bedeuten hatte – ein Sturm zog auf.
Allerdings näherte sich die Gewitterfront schneller wie erwartet. Die ersten Regentropfen fielen schon und der Wind blies wie ein Orkan durch den Garten. Zwischen den Büschen und Sträuchern wirbelte es wie kleine Tornadostrudel umher und jeder musste zusehen, dass er sich in Sicherheit bringt.
Luis, die Schnecke zog sich in ihr Schneckenhaus zurück, Emin wickelte sein Netz wieder auf und versteckte sich unter einem großen Dahlienblatt. Die Marienkäfer waren mit ihren Skateboards bis zum Zaun gedüst und versteckten sich dort unter einem Stein. Ludwig, oh nein, Ludwig, die Gartenmaus, war so vertieft in sein Frühstück, dass er es nicht mitbekam. Gerade als er den letzten Gerstenhalm anknabberte, tropfte etwas auf seine Nase. Plötzlich blies ihm der Tornado um die Ohren und weitere dicke Regentropfen platschten auf seinen Kopf und nur mit großer Mühe konnte er sich festhalten. Er versuchte, seine Schutzhöhle zu erreichen. Auf halben Weg zurück, zu seinem Versteck, traf er auf Luis. Völlig entkräftet rief er: „Luis, Luis hilf mir!“. Luis, die Schnecke hörte sein Wimmern, schob sich aus seinem Haus und rutschte langsam, immer näher zu Ludwig heran. Er klammerte sich gerade ganz verzweifelt an einen Löwenzahlstängel. Da er zu viel gefrühstückt hatte, fehlte ihm jede Kraft, alleine weiterzugehen. „LUDWIG!“, rief Luis in dem Sturm. „Setz dich auf mein Haus und halte dich gut fest. Ich bringe dich in Sicherheit.“ Gesagt getan.
Mühevoll kletterte Ludwig auf das Schneckenhaus und Luis schob sich, so schnell er konnte, Richtung Spielhaus, unter dem Ludwig seine Höhle hatte.
Die Tornadowirbel tobten um die beiden herum. Ludwig konnte sich kaum festhalten. Da hörte Emin, der Spinnerich, die verzweifelten Rufe. Er sah, dass Ludwig sich kaum noch halten konnte. Kurz blickte er auf seine Gummistiefel, dann fasste er allen Mut zusammen, schwang einen Faden in die Luft und ließ sich von dem Sturm in die Richtung der beiden treiben.
Kurz über ihnen seilte er sich herab. Er landete auf dem Rücken von Ludwig und begann sofort damit, seine Fäden um Ludwig zu binden. Das gab ihm Halt. Leider wurde der Sturm so stark, dass jetzt sogar Luis kaum mehr vorwärts kam. Ein Unglück drohte. Wenn noch ein Tornadowirbel kam, würde er die Drei wegblasen.
Mit einem Mal standen Pia und Grocko, die Marienkäfer, daneben. Sie hatten mitbekommen, dass die drei Hilfe benötigten. Schnell stellten sie ihre beiden Skateboards nebeneinander, Luis kroch oben drauf und in Windeseile schoben die Marienkäfer die kleine Gruppe zur Höhle von Ludwig. Gemeinsam hatten sie es geschafft.
Alle waren in Sicherheit.
Ludwig machte einen Hagebuttentee für die ganze Truppe. Sie freuten sich darüber, dass nochmal alles gutgegangen war.
Der Sturm schien kein Ende nehmen zu wollen.
Erst nach über einer Stunde krochen sie aus der Mäusehöhle heraus. Endlich strahlte die Sonne wieder und ein wunderschöner Regenbogen in den tollsten Farben, funkelte über der Spielhütte.
Es wirkte, als ob sie goldfarben war.
Auf jeden Fall freuten sich alle und verabredeten sich für den nächsten Tag.
Ende gut, alles gut.
Impressum:
Diese Geschichte wurde von Lotta und Hermann während einer Sonderveranstaltung im Rahmen des Bücherfestivals in Baden-Baden, im LA8, mit der Autorin Manuela Maer ausgearbeitet.
Geschrieben von: Manuela Maer
Auflage, November 2024
Vosanta Media GbR
Claudia Mutschler & Stefan Mutschler
Kirchstraße 29
76596 Forbach
© 2024 Manuela Maer/Vosanta Media, alle Rechte vorbehalten.
Text: ©Manuela Maer, Autorin
Bildmaterial: Claudia Mutschler/Canva