Die Kneipe am Eck Nr. 1


Oh oh, es hat sich unter den Protagonisten herumgesprochen, dass wohl einige - wenn auch manchmal unbeabsichtigt - aufeinandertreffen. Zufälle schaffen Begegnungen die prickelnder nicht sein könnten und so manches offenbaren. Dass wir das erfahren, verdanken wir heute den Autorinnen Verena Valmont und Manuela Maer, die sich auf die Lauer gelegt haben und ihre Protagonisten belauschten.
Da ist Emanuele, aus dem Buch Verborgene Absichten und Julia, aus der mystischen Thriller-Reihe Ilya Duvent.

Eigentlich wartet Julia auf eine Freundin. Doch dann scheint das emotionale Chaos über Julia hereinzubrechen, als Emanuele die Kneipe betritt. Aber seht selbst …

Neulich in der Kneipe am Eck …

Barkeeper: "Hier dein Wasser. Wo bleibt deine Freundin?"
Julia: „Ich weiß auch nicht... ich schreib ihr mal.“

(Sie tippt auf dem Handy eine Nachricht. Dann trinkt sie einen Schluck und prompt kommt die Antwort.)

Julia: „Ah,.. hier,.. sie schreibt, dass sie es heute nicht schafft, sie kommt nicht los, hat noch zu viel zu tun. Schade... dann trinke ich halt alleine was.“
Barkeeper: "Ich bin ja zur Not auch noch da, heute ist eh nix los."

(Er trocknet ein paar Gläser ab und stellt sie in das Regal. Er hört die Tür und dreht sich zu Julia.)

Barkeeper: "Holla,.. wer ist denn das? Kennst du ihn? Den hab ich noch nie hier gesehen."

(Der seltsam aussehende Fremde mit langen dunkelstroten Haaren, ringbehafteten Fingern und auffallend schwarz gekleidet, geht Richtung Theke)
(Julia dreht sich kurz herum)

Julia: „Nein,... ich kenne den nicht.“
Emanuele: „Einen schönen guten Abend, Herr Ober. Wären Sie so freundlich mir einen Mate-Tee aufzubrühen?
Barkeeper: "Guten Abend! Max,... es genügt, wenn du Max sagst. Und leider muss ich sagen, dass ich keinen Mate-Tee habe. (Er deutet in den Raum) Wir sind hier eine Kneipe.“

(… und grinst den Fremden an.)
(Julia sitzt nebendran und verdreht die Augen)

Emanuele: "Suchen Sie Ihr Gehirn, Verehrteste? … Max, haben Sie denn i r g e n d einen Tee hier?“
Julia: (Etwas pikiert!) "Nun, ich versuchte es gerade zu beruhigen, damit es nicht vor Schreck flüchten geht, bei dem Anblick.“
Barkeeper: "Kamillentee oder Pfefferminz?"

(Er lässt nebenbei zwei Bier raus, für den Tisch hinten links im Raum, wo zwei weitere Gäste sitzen.)
(Emanuele atmet genervt aus.)

Emanuele: „Dann eine Tasse Pfefferminztee bitte. Haben Sie eine Scheibe Ingwer?“
Barkeeper: "Ja, das hab ich sogar."

(Emanuele lächelt zufrieden. Manchmal sind es die kleinen Freuden.)

Julia: "Nimm von dem, den ich dir letzte Woche mitgebracht habe, der ist besonders scharf."
Emanuele: „Der Ingwer ist also über eine Woche alt. Nun gut, ich will mal nicht so sein.“

(Er setzt sich an einen Tisch nah an der Theke.)
(Julia bläst ihren Unmut raus, schaut ihn sich genauer an und schreckt dann zurück...)

Julia: „Darf ich fragen, woher Sie kommen?“

(Emanuele sieht sie stirnrunzelnd an, als sie zuckt.)

Emanuele: „Ich komme aus Venedig und Sie?“
Julia: „Ähm, ich komme hier aus Rastatt... bin hier geboren sozusagen. ... Venedig? Ähm, sie kennen sich nicht zufällig mit alten Schriften aus?“

(Julia fühlt sich zusehends unbehaglich... schon fast ängstlich.)

Emanuele: „Sehe ich aus wie ein Historiker? Was ist mit Ihnen? Fehlt Ihnen irgendetwas?“

(Emanuele steht auf und geht zu ihr an die Theke.)

Julia: „Ähm, nönö, alles in Ordnung ... es ist nur, sie sehen jemanden ähnlich, mit dem ich vor einer Weile eine äußerst schlechte Erfahrung gemacht habe.“
Emanuele: „Das wage ich zu bezweifeln, dass jemand in dieser Gegend so aussieht wie ich.“
Julia: „Oh doch,... aber den hab ich erst mal im Griff... Was treibt einen von Venedig nach Rastatt?“

(Julia versucht abzulenken)
(Max beobachtet die beiden.)

Emanuele: „Ein Auftrag treibt mich her, ein Gemälde. … Den haben Sie im Griff? Was möchten Sie denn damit bitte andeuten?“

(Emanuele sieht sie an, als würde er an ihrem geistigen Zustand zweifeln.)

Julia: „Erstens, wüsste ich nicht, was es Sie angeht, und zweitens, würden Sie mir das eh nicht glauben, so wie Sie aussehen,…“
Emanuele: „Und Ihr valkürenhaftes Aussehen ist natürlich das oberste Schönheitsideal nicht wahr? Ist es in Deutschland üblich, sich gegenseitig zu beleidigen? Ein gut gemeinter Rat, hören Sie auf damit, denn dieses Wortgefecht würden Sie verlieren.

(Julia will darauf antworten, tut es aber nicht - sie wirkt genervt.)

Julia: „Ein Gemälde? (Nachdenklich – dann reißt sie ihre Augen auf.) Sind Sie etwa Emanuele?“
Emanuele: „Ja, genau der bin ich - und genieße unter denjenigen, welche sich meine Werke leisten können, durchaus Ansehen und Respekt.“
Julia: „Oh oh,.. verletzter Stolz.... (Julia schüttelt den Kopf.) ... hier beleidigt niemand jemanden,... Emanuele,... auch das noch.... (Sie steht auf von ihrem Hocker.)... Ich bin Julia Brunner, Inhaberin des Buch und Kunstladens, sie haben mit mir Morgen einen Termin... wegen eines Gemäldes.“

(Sie reicht ihm die Hand.)

Emanuele: „Na dann, auf eine gute Zusammenarbeit.“

(Grinst süffisant und reicht ebenfalls die Hand.)

Emanuele: „Sie kennen meine Werke, wissen aber nicht wie ich aussehe. Sehr ungewöhnlich.“

(Auch Julia muss nun grinsen.)

Julia: „... tz,.. das gibt es nicht... so ein Zufall!“
Emanuele: „Und sind Sie es, die ich malen werde?“

(Fasst ihr einfach ins Gesicht, um ihre Proportionen zu überprüfen.)

Julia: „Na in natura wirken Sie nochmal ganz anders... irgendwie überheblicher, wenn ich das anmerken darf... kann aber sein, dass das nur davon kommt, wie Sie sich hier geben,...“

(schlägt Emanueles Hand weg ... Zum Barkeeper gewandt.)

Julia: „Künstlerallüren halt. … NEIN,.. um Himmels Willen,.. nicht ich soll gemalt werden... eine Kundin von mir. … Max, ich brauche ein Glas Sekt, das hält man ja im Kopf nicht aus.“
Barkeeper: "Kommt sofort mein Schatz." (Er lacht.)
Emanuele: „Oh ein Glück, diese verhunzten Wangenknochen bekomme nicht einmal ich gerade.“

(Flüstert er in seine Teetasse.)

Emanuele: „Lieber Max, schenken Sie mir doch ein Glas Cognac ein.“

(Max richtet beides und stellt es vor sie hin und schaut dabei beide abwechselnd an.)

Barkeeper: "Alles OK Julia?"
Julia: „Ja Max,... alles gut,... ich krieg das hin. Wenn ich geahnt hätte, dass ich diesen Menschen hier heute Abend treffe, wäre ich zu Hause geblieben, (setzt das Glas an und leert es ex.) Bitte noch eins Max.“

(Emanuele grinst überrascht.)

Emanuele: „Sie sind ja ein wahrer Schluckspecht, meine Gute!“
Julia: „Oh nein,.. Fragen Sie Max... das kommt sehr selten vor, dass ich etwas trinke.“
Emanuele: „Das würde ein Alkoholiker jetzt auch sagen.“

(Der Barkeeper stellt ein neues vor Julia hin.)

Emanuele: „Ich hätte gerne ein paar Eiswürfel in meinem Cognac.“

(Diesmal nimmt Julia das Glas ganz ruhig in die Hand und bietet dem - nun nicht mehr ganz so Fremden - an, anzustoßen.)

Barkeeper: "Eiswürfel kommt sofort"

(Julia schaut etwas aufmüpfig.)
(Sobald die Eiswürfel drin sind, stößt auch Emanuele an.)

Emanuele: „Auf die Kunst und auf den Alkoholismus! Zum Wohl!“

Julia: „Auf die Kunst! (…setzt an und nippt diesmal nur am Glas.)

(Emanuele trinkt gar nicht, er holt sich einen Eiswürfel raus und beginnt daran zu lutschen.)

Julia: „Ich meinte das vorhin ernst,... ich habe beinahe mein Leben verloren, durch jemanden, der so aussieht wie Sie. Das war kein Witz. … Da kann man schon mal denken, dass Sie vielleicht auch so einer sind.“
Emanuele: „Oh ja, ich bin ein gesuchter Serienmörder, man nennt mich auch den Pinselkiller, weil ich meine Opfer mit einem spitz geschnitzten Malerpinsel erdolche.“

(Macht in der Luft eine Bewegung wie er jemanden ersticht.)
(Julia bläst erneut in die Luft.)

Julia: „Maaaan, kommen Sie wieder runter... es geht vielleicht nicht immer nur um Sie.“

(Sie schaut ihn nun offen und klar an, ohne Vorwürfe.)

Julia: „Ich bin wirklich erschrocken. Ich meine, wer rennt denn sonst in solchen Klamotten herum? … Tz... Pinselkiller,... als ob Autoren das schreiben würden,.. tz!“

(Emanuele nimmt Julias Hand und legt sie auf seinen Oberkörper.)

Emanuele: „Fühlen Sie, das ist feinste Seide, von einem Schneider am Canale Grande maßgefertigt. Vielleicht habe ich auch noch mehr Brüder, die mir ähnlich sehen, wer weiß das schon. Mein Vater ist nicht gerade für seine Frömmigkeit bekannt.“

(Julia zieht ihre Hand weg und hebt sich an ihrem Glas Sekt fest.)

Julia: „Tz... ich habe halt meinen Freund dadurch verloren,… deswegen finde ich das nicht mehr so lustig.“

(Max stellt eine Schale mit Erdnüssen zwischen die Beiden.)
(Emanuele nimmt eine Nuss und will sie Julia in den Mund stecken.)

Emanuele: „Essen Sie doch was, das ist gut für die Nerven.“
Julia: (Spricht mehr zu sich selbst als zu ihm.) „Außerdem kam meine Kundin zu mir und bat mich darum, den Kontakt mit Ihnen herzustellen... vorher kannte ich Sie nicht.“
Emanuele: „Ihr Freund ist einem Mörder zum Opfer gefallen?“

(Irritiert nimmt Julia die Nuss an und lutscht daran herum.)

Julia: „Kann man so sagen, aber wie gesagt, das würden Sie mir eh nicht glauben,... wie kommt’s, dass sie so malen? Studiert?“

(Julia möchte auf ein angenehmeres Thema wechseln, sie stürzt das Glas Sekt hinunter.)

Julia: „Bitte noch eins Max,... das letzte für heute.“
Emanuele: „Talent und Leidenschaft sind Dinge, die kann man nicht studieren.“

(Emanuele sieht Julia eindringlich in die Augen, als würde er versuchen sie zu lesen.)

Emanuele: „Wieso lenken Sie ab, warum mache ich Sie so nervös?“
Barkeeper: "Ist alles in Ordnung hier bei Euch?“ (Er schaut Emanuele etwas böse an.)
Julia: „Ja, alles gut,.. ich wurde nur gerade an die Vergangenheit erinnert, Max, du weißt doch, das verdirbt mir die Laune. (Julia schaut standhaft zurück.) Glauben Sie mir, wenn man mal kurz vor dem Tode stand, darf man nervös werden.

(Der Barkeeper stellt Julia das dritte Glas Sekt hin.)

Emanuele: „Fürchten Sie, dass der Mörder ihres Freundes es nun auf Sie abgesehen hat? Sie wirken nahezu panisch.“
Julia: „Haben Sie eine Freundin... (Schaut ihn beinahe aggressiv an.)... wobei... das würde mich wundern, wenn Sie eine hätten,... tz! … Ich erwähnte doch vorhin schon, dass ich diese Person, sofern man sie als solche bezeichnen möchte, im Griff habe. … … … Ach ...Können wir nicht einfach über was anderes reden?“

(Emanuele sieht für eine Sekunde betroffen aus und senkt seinen Blick in sein Glas.)

Emanuele: „Für eine Weile dachte ich, ich hätte einen Freund, aber ich hatte mich getäuscht. Ich bin wohl kein Mann für langfristige Liebschaften.“

(Julia plappert einfach weiter.)

Julia: „Reden wir einfach über fröhlichere Sachen ... Ich fürchte, Sie bekommen sonst Dinge von mir ab ab, für die Sie nichts können.... (Sie zuckt mit den Schultern – jetzt kam bei ihr an, was er gerade gesagt hatte.) ... einen Freund? Sie sind schwul?“

(Sie muss unmittelbar grinsen, aber bereut gleich ihre freche Frage.)

Emanuele: „Manchmal, aber ich kann durchaus auch der weiblichen Schönheit etwas abgewinnen.“

(Er zwinkert ihr kokett zu und reibt sich den Eiswürfel über die Lippen.)
(Julia tippt mit dem Finger in ihren Sekt und tubst ihn damit auf die Nase...)

Julia: „Hier , eine kleine Abkühlung. … … Soso,.. auf beiden Ufern unterwegs. … … Sie dachten, Sie hätten einen Freund?“
Emanuele: „Die Welt ist zu groß und zu vielfältig, um sich selbst solche Grenzen zu setzen. Hetero, schwul, lesbisch. Wen interessiert das schon?“

(Max hört angestrengt zu...)

Julia: (Murmelt vor sich hin.) „Ich sehe das auch so... aber ich bin, zumindest bisher, konsequent hetero.“
Emanuele: „Ja das dachte ich, dass ich einen Freund habe, … … aber das Glück war mir leider nicht vergönnt.“
Julia: „An was lag´s denn?“
Emanuele: „Es lag an meinem Bruder… Konsequent? Das klingt als müssten sie sich Mühe geben das zu sein.“

(Julia lacht erst herzhaft – verstummt dann aber abrupt.)

Julia: „AN IHREM BRUDER… (Julia ist fast schon entsetzt.) Tschuldigung,... ähm,... sie haben doch nicht...ähm,...!“

(sie traut sich kaum, es auszusprechen.)

Julia: „... mit ihrem Bruder?“ (sie räuspert sich.)

(Emanuele verschluckt sich an seinem Cognac.)

Emanuele: „Hust hust! Wo denken Sie nur hin!? Er ist mein Halbbruder und bevor Sie jetzt wieder falsch denken - nein nicht mit ihm. … … Mit seinem Freund.“
Julia: „Na ja,... wenn Sie das so sagen, dass es an Ihrem Bruder lag.“

(Nachdenklich.)

Julia: „Ähä... mit seinem Freund,.. dann hat also sein Freund ihn mit Ihnen betrogen? (Sie schüttelt wieder den Kopf.),... oh mein Gott,... das ist kompliziert.“
Emanuele: „Nein, nur fast. Wir waren über längere Zeit gute Freunde. Er ist jung und naiv und wusste wohl nicht so recht, was er wollte. Als es fast soweit war, wusste er es dann doch. Und das war nicht ich.“
Julia: „Oh,.. das ist natürlich schade... ich meine... man investiert in eine Beziehung und geht dann leer aus... das tut immer weh (Julia legt ihre Hand auf seinen Arm.) Das tut mir leid... aber er ist zumindest noch am Leben...“

(Sie dreht sich wieder zu ihrem Glas.)

Emanuele: „Ja, zumindest so lange bis der Pinselkiller zuschlägt.“
Barkeeper: (Stellt zwei Liköre hin) „Das geht aufs Haus,... ihr seid ja echt depressiv drauf... man,... nicht zum Aushalten.“
Emanuele: „Ich habe Ihnen jetzt etwas über mich offenbart, wieso öffnen Sie sich nicht etwas für mich?“
Julia: „Pinselkiller ... (jetzt lächelt Julia wieder.) Danke Max!“
Emanuele: „Danke Maximilian.“
Barkeeper: "Nur Max bitte,... nur Max!" (Geht einen Meter zur Seite.)
Julia: "Iiiich mich öffnen?... Ich sagte doch schon, Sie würden das nicht verstehen. Wahrscheinlich würden Sie mich auslachen und gänzlich für verrückt halten.“
Emanuele: „Sie geben mir auch keine Chance Sie zu verstehen. Sie machen die ganze Zeit nur bedeutungsschwangere Andeutungen. Wollen wir uns vielleicht zurückziehen und Sie erzählen mir im Privaten davon?“

(Julia zuckt etwas zusammen ... überlegt ... schaut ihn lange an ... plötzlich.)

Julia: „OK,... da hinten ist Ruhe (Sie deutet zu einer Nische rechts hinten im Raum.)

(Julia steht auf, nimmt ihren Sekt und den Likör und geht vor.)

Emanuele: „Hier ist es doch etwas gemütlicher. Sonst hätten Sie mir auch gerne den Buchladen zeigen können.“
Julia: (Sehr sachlich.) „Ich würde sagen, wir bleiben hier,... den Buchladen sehen Sie ja noch morgen.“
Emanuele: „Gut dann bleiben wir hier, in Ihrer Comfortzone.“
Julia: „Sie können morgen gerne etwas früher kommen, dann können wir zusammen noch einen Kaffee trinken.“
Emanuele: „Warten Sie einen Augenblick. (Emanuele steht auf und geht zum Tresen. Er bestellt bei Max gleich eine Flasche Sekt und kehrt damit in die Nische zurück.) Das ist doch ungemütlich, wenn wir ständig aufstehen müssen.“

(Julia verdreht die Augen.)

Julia: „Ich wollte eigentlich keinen mehr.“

(Emanuele schenkt einfach ein.)

Julia: „Was soll nur mein Sohn von mir denken, wenn ich nach Hause komme.“
Emanuele: „Der lockert ihre Zunge vielleicht ein wenig, gönnen Sie sich etwas.“

(Emanueles bernsteinfarbene Augen funkeln gelb in dem Licht der Nische.)

Julia: „Mein Mitarbeiter passt auf ihn auf, wenn ich weggehe, was ja eher selten vorkommt... ich treffe mich mit meiner Freundin ab und an... manchmal braucht man einfach etwas Zerstreuung... aber warum erzähl´ ich Ihnen das überhaupt?

(Julia nippt am Sekt.)

Emanuele: „Warum sind Sie heute alleine hier?“
Julia: „Weil meine Freundin nicht loskam, sie hatte zu viel Arbeit... ganz einfach. Tja,.. und dann kamen Sie... ein arroganter Schnösel... der dann auch noch einen Termin bei mir in der Buchhandlung hat ... tz ... das Leben ist hart.“

(Julia muss grinsen.)

Emanuele: „Was für ein Glück für Sie, nicht wahr?“ (Grinst ebenfalls.)

(Der Barkeeper beobachtet die Beiden eindringlich.)

Emanuele: „Sie und Maximilian, sind Sie ein Paar?“
Julia: „Ich und Max ?? (Julia lacht) Nie und nimmer... er hat eine tolle Familie, eine ganz liebe Frau und zwei hübsche Mädchen,... er ist ein Freund... ein guter Freund, der auch etwas mehr von mir weiß … … aber warum diese Frage?“
Emanuele: „Weil er nicht aufhören kann zu lauschen und er uns beobachtet. … Dazu muss ich mich nicht mal zu ihm drehen, um die Blicke zu spüren.“
Julia: „Ach so... Hmmm,... ja,... er hat das damals alles mitbekommen und weiß, wie es mir ergangen war... er passt irgendwie einfach nur auf mich auf... unsere Kinder gehen auf die gleiche Schule,... und mein Junge ist ab und an bei Ihnen.  Haben Sie denn noch Kontakt zu Ihrem Bruder?

(Julia nimmt den Likör und stößt damit an das zweite Glas.)

Julia: „Ich heiße übrigens Julia,...“
Emanuele: „Ich verstehe und was hält seine Frau davon, dass er so väterlich auf Sie aufpasst? … Mein Bruder und ich wechseln schon seit wir Jugendliche waren kein Wort miteinander, ich habe ihn kennengelernt, da war ich sieben Jahre alt. … … … Ich weiß wie Sie heißen, das stand in Ihrer E-Mail, aber danke für die Erinnerung.“
Julia: „Oh,.. dass ist schade,... und da gibt es keine Änderung in diesem Verhältnis zu Ihrem Bruder? Also, ich meine, da kann man nichts machen? … … (Ihr Blick wandert zu Max.) Seine Frau und ich verstehen uns super... sie ist wie eine große Schwester zu mir...“
Emanuele: „Nein, mein Bruder hasst mich.“
Julia: „Aber warum?“

(Julia hat immer noch den Likör in der Hand und noch nicht davon getrunken.)

Julia: „Ich wollte einfach sagen, ob wir uns nicht duzen wollen?“
Emanuele: „Das können wir gerne machen. Es ist schwer das in kurzen Sätzen zusammenzufassen. Wir haben den gleichen Vater und das hat er herausgefunden, als meine Mutter einfach zu seinem Anwesen gefahren ist, als ich sieben war und sich seiner Mutter vorgestellt hatte. Also war ich der Grund dafür, dass seine Mutter sich getrennt und die Familie verlassen hatte.“

(Julias blaue Augen glänzen in der gelblichen Beleuchtung etwas grünlich)

Julia: „Oh,... also ein richtiges Familiendrama,.. so echt klischeehaft. … … Aber Ihr Kinder könnt doch nichts dafür, was die Eltern getan haben,... kann er das nicht verstehen?“
Emanuele: „Ja, dabei hätte ich viel mehr Gründe alle zu hassen. Mein Vater hat meine Mutter wie eine fremde Aussätzige behandelt und mithilfe seiner korrupten Anwälte erwirkt, dass sie nicht einmal Unterhalt von ihm bekam und wir in einer kalten versifften Wohnung hausen mussten. Er hat sie nicht einmal besucht, als sie ihre letzten Tage schwerkrank im Bett lag und noch nach ihm gefragt hatte um, Frieden zu schließen.“
Julia: „Stoff aus dem Romane entstehen,...“

(Julia schaut verträumt ins Leere.)

Emanuele: „Ja, nur kann ich Erlebtes nicht gut in Worte fassen, daher die Bilder.“
Julia: „Hmmm,... (Julia trinkt den Likör.) Dann muss ich mir wohl doch endlich mal die Bilder anschauen.“
Emanuele: „Und jetzt kennst du noch mehr von mir und ich weiß noch immer nichts über dich.“
Julia: „… wie gesagt... ich war in diesem Fall nur Mittelsmann um die Verbindung herzustellen. Ich habe einen Buchladen, einen Sohn von meinem verstorbenen Freund, habe einen Mitarbeiter, ja... und bin ständig in seltsame Dinge verwickelt, die kein Mensch glauben kann.“
Emanuele: „Darum geht es nicht. Die Arbeit ist die Arbeit und um die kümmere ich mich morgen. Ich unterhalte mich mit dir hier, einer mysteriösen Frau, deren Freund von jemandem ermordet wurde, den du auf noch mysteriösere Art und Weise im Griff hast. Das klingt, als würdest du jemanden im Keller halten.“
Julia: „So kann man das sagen,... irgendwie trifft es sogar fast zu... dass ich ihn im Keller habe … Im Tresor, um genauer zu sein,...“
Emanuele: „Ach so ist das. (Emanuele grinst.) Beherbergst du die Büchse der Pandora?“

(Julia trinkt das Glas Sekt leer. Emanuele schenkt sofort nach.)

Julia: „Nun,.. irgendwie hat das alles angefangen, damals, während der Badischen Revolution – 1848 -, hier in Rastatt, durch eine Vorfahrin von mir... quasi meiner Ur-Ur- ähm,... Ur-Großmutter,.. oder so. Na ja, sie war wohl sehr unglücklich verheiratet, lernte jemanden kennen und wollte mit demjenigen fliehen, was zu dem Zeitpunkt, weil Rastatt ja eine Festung war, ein wirklich schwieriges Unterfangen war.“

(Emanuele stützt sein Kinn auf seiner Hand ab und hört aufmerksam zu)

Julia: „Ihr Mann muss ein ekelhafter Choleriker gewesen sein, ein bösartiger Mann. (Julias Ausdruck verfinstert sich.) Na wie dem auch sei, hat dieser Mann die Hilfe einer zwielichtigen Frau in Anspruch genommen und dadurch die Flucht verhindert. Dabei kam wohl der Liebhaber meiner 3xUr-Großmutter ums Leben. … … Da sie schwanger war von ihm, sonst gäbe es mich nicht, hat sie auf anderem Weg und mit Hilfe die Stadt verlassen.“

(Julia ballt ihre Hände zu Fäusten. Sie atmet tief durch)

Julia: „Zu Tode kam er durch einen Dämon ... (Jetzt ist Julia ruhig und schaut Emanuele an) Mein fürchterlicher 3xUr-Großvater hat also versucht seine Frau umzubringen... und dabei deren Liebhaber getötet. … … Durch einen Dämon,… ja,... und,… was sagst du dazu?“
Emanuele: „Ist Dämon auf Deutsch ein anderes Wort für einen sehr bösen Menschen oder sprichst du von Dämonen im biblischen Sinne?“
Julia: „Hmmm,... ich spreche von Dämonen im biblischen Sinne. Dieser Typ ging zu einer Hexe und ließ sich einen Dämon zur Hilfe GEBEN.“

(Aufgeregt nippt sie an ihrem Glas.)

Emanuele: „Die Geschichte von deiner Urururgroßmutter, ist sie eine örtliche Volkssage?“
Julia: „NEIN, sie ist tatsächlich passiert...“
Emanuele: „Woher weißt du das alles, das ist doch über drei Generationen her? Sogar fünf Generationen.“
Julia: „Unterlagen ... Aufzeichnungen,... und der Fakt... dass dieser Typ... wie auch immer er es geschafft hat seit 1848 zu überleben... dass dieser Typ nun durch Täuschungen seinen Dämon auf mich hat hetzen können.“
Emanuele: „Und was ist mit der Hexe geschehen?“
Julia: „Dieser Dämon hat Jagd auf mich gemacht, hat meinen Chef ermordet.“
Emanuele: „Deinen Chef? Im Buchladen? War ER dein Freund?“
Julia: „also,... ähm,.. (nachdenklich - zu viel will sie nicht preisgeben.) ... was mit der Hexe ist, keine Ahnung... Herr Gronauer war mein Chef.... ihm gehörte das Haus und alles darin,.. ich durfte den Nachlass inkl. Haus kaufen und konnte somit die Buchhandlung übernehmen.“
Emanuele: „Das klingt für mich äußerst seltsam, warum sollte ein mächtiger Dämon dessen Lebenszeit mehrere Generationen überdauert, sich dem Willen einer Hexe unterwerfen? … … Du durftest die Buchhandlung also übernehmen, wie praktisch.“
Julia: „Tja,... da ist viel passiert, dieser eklige Typ hat seinen Dämon auf alles gehetzt, was mir lieb war... und ich habe versucht, dagegen anzukämpfen... war aber wohl zu spät,… deswegen...“ (sie nippt mit traurigem Blick an ihrem Glas.)
Emanuele: „Und du hältst diesen Dämon also in deinem Keller gefangen?“
Julia: „Alles was mir geblieben ist, war Jan-Steven, mein Sohn... dass ist alles, was ich von meinem Freund noch habe.“

(Emanuele bemüht sich, ernst zu klingen.)

Julia: „Hmmm,... ich habe es geschafft und ihn verbannen können,... und das Artefakt liegt nun in meinem Safe. … … So sieht’s aus.“

(Ihr Blick nun beinahe angriffslustig... der Sekt machte sich bemerkbar.)

Emanuele: „Darf ich es sehen?“
Julia: „NEIN … NIE UND NIMMER!“
Emanuele: „Warum nicht?“

(sie schaut ihn entsetzt an.)

Julia: „Ja hast du denn nicht zugehört? … Ich würde nichts und aber nichts riskieren, dass dieses Wesen wieder freikommt. Um die Seele deiner Mutter,.. das willst du nicht.“
Emanuele: „Ich würde sehr gerne mal ein Dämonenartefakt sehen, vielleicht kann es ja Wünsche erfüllen. Ich denke da an ein Gemälde von mir, das die gleichen Mächte beherbergt wie bei Dorian Gray.“

(Julia schüttelt den Kopf.)

Julia: „Ich hab es mir gedacht... du nimmst mich nicht ernst... du machst dich lustig über mich...“

(Sie macht Anstalten aufzustehen.)
(Emanuele nimmt ihr Handgelenk.)

Emanuele: „Bleib. Es tut mir leid. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen.“

(Julia setzt sich missmutig,... der Sekt.)

Julia: „Weißt du... ich spüre ihn... immer und immer wieder... er umgarnt mich, er umhüllt mich,... wie kann ich jemanden das erklären, der noch nie mit solchen Wesen zu tun hatte. … Er ist verbannt, aber trotzdem kann ich ihn spüren, wenn ich das Buch berühre. … … Dieser Dämon hat einen Seelentrog... verstehst du? Nein,.. woher auch! ... Tja,... da ist deine Geschichte mit deinem Bruder nur ein kleines familiäres Scharmützel.“
Emanuele: „Schön, jetzt mal ernsthaft. Ich möchte mich wirklich nicht über dich lustig machen, auch wenn es mir persönlich schwerfällt akzeptieren zu sollen, dass alle Geschichten über Hexen, Dämonen, Nightmare und dergleichen wahr sein sollen. … Als Jugendlicher hatte ich ein Hexenbrett und habe damit rumgespielt. - Bitte belehre mich nicht, wie leichtsinnig das war, ich war ein dummer Junge. - Über mehrere Monate habe ich immer wieder mit jemandem gesprochen und ich schwöre auf alles was mir heilig ist, dass ich das Brett nicht selbst bewegt habe. Deshalb bin ich durchaus offen für solche Gespräche, die andere womöglich für verrückt halten.“
Julia: „Tz... du meinst, weil du mit einem Hexenbrett gespielt hast... weißt du jetzt alles über die Dämonenwelt?“
Emanuele: „Ich weiß, dass es da draußen etwas gibt, das ich nicht greifen, nicht verstehen kann und es ist im Alltag einfach leichter es zu verdrängen und so zu tun, als würde es nichts geben, schon alleine um besser zu schlafen. … … Du bist ein Dummerchen. Ich habe nie behauptet alles zu wissen, ich weiß gar nichts. … … Ich möchte dir lediglich versichern, dass ich das ernst nehme, was du mir erzählst.

(Er streichelt ihr einfühlsam über die Wange)

Julia: „Tut mir leid,... es ist nur,... (sie nippt an ihrem Glas.)… ich habe zu viel Sekt getrunken und du wühlst in meiner Vergangenheit. Keine gute Kombination will ich meinen. … … Weißt du... das Schlimme an der Sache ist halt, dass ich es war, die den Dämon erneut befreit hatte, weil dieser Alte mich getäuscht hat darüber, wer er wirklich ist. Und jetzt ist mein Freund tot,... na... klingelts jetzt?“
Emanuele: „Du gibst dir selbst die Schuld daran, ich verstehe...“
Julia: „Ja... allerdings...!“
Emanuele: „Was soll ich dazu sagen. Das ist überaus töricht... Vielleicht sollten wir auf Wasser umsteigen. Gib mir einen Moment.“
Julia: (Spricht einfach weiter.) „Dabei hat er mich noch gewarnt ... er sagte noch... ich solle nicht alleine ins Brunnenhaus gehen,... stööööööhhhhhn!“
Emanuele: „Bleib kurz sitzen.“

(Emanuele steht auf und kommt mit einem großen Krug Wasser zurück.)

Julia: „Na gut!“
Emanuele: „Hier, du verträgst ja nichts.“
Julia: „Das ist mal ´ne Ansage... also doch... du glaubst ich erzähl dir nur Unfug, weil ich jetzt einen Sekt-Schwips habe und ja... ich vertrage echt nix … das stimmt.“
Emanuele: „Nein. Warum fühlst du dich sofort provoziert? Du scheinst es wohl einfach gewohnt zu sein, dass man dich nicht ernst nimmt.“

(Julia betrachtet Emanuele intensiv.)

Julia: „Wenn ich dich anschaue, … das Einzige, was anders ist, ist deine Haarfarbe und deine Augenfarbe... aber ansonsten gleichst du der Erscheinung meines Dämons unglaublich... was denkst du wohl... wie es mir damit geht?“

(Emanuele rückt näher.)

Emanuele: „Also fürchtest du mich?“ (flüstert.)

Julia: „Ich sollte nach Hause gehen, ... ... dass ist es, was ich tun sollte,… und dich fürchten? ... Hmmm,… ich war erschrocken... weil ich dachte... da steht ein weiterer Dämon... das ist alles.“
Emanuele: „Dein Sohn sollte dich in diesem Zustand nicht sehen.“
Julia: „Unser Termin ist morgen um 11:00 Uhr,... komm um neun, dann bin ich wieder nüchtern und wir können reden und einen Kaffee trinken, wie zivilisierte Geschäftspartner das zu tun pflegen. … … Mein Sohn schläft jetzt tief und fest,... der bekommt das jetzt nicht mit. … … Du hast ja gar nix getrunken...“

(deutet auf das Glas Likör.)

Emanuele: „Und ich dachte, du leistest mir heute noch etwas Gesellschaft außerhalb dieses Etablissements. (Emanuele schiebt seine Unterlippe nach vorne und schaut übertrieben traurig drein wie ein trotziges Kleinkind) Dieses provinzielle Kaff ist aber auch langweilig... Ich bin ein Genusstrinker.“

(Nippt an seinem Likör.)

Julia: „Oh nein, daraus wird nix,... du musst dir andere Gesellschaft suchen... ich gehe besser jetzt schlafen.“
Emanuele: „Na schön, lass mich ruhig alleine. Pass zumindest auf dich auf, wenn du nach Hause torkelst.“

(Julia geht an die Theke und will bezahlen.)

Julia: „Max, mach mir bitte die Rechnung, und setz´ auch die Flasche Sekt drauf...“
Barkeeper: "Dein Freund hat schon alles bezahlt. Musst dich bei ihm bedanken."

(Julia verdreht wieder die Augen. Sie geht zurück an den Tisch.)

Julia: „Vielen Dank, das wäre nicht nötig gewesen.“
Emanuele: „Allein der Anblick, wie du wieder dein Gehirn gesucht hast, war die Rechnung wert.“

(Erneut verdreht sie die Augen - muss aber grinsen und wird sogar ein wenig rot dabei.)

Julia: „Na dann weiß ich in Zukunft, wie ich billige Abende haben kann – Augen verdrehen! … … Also Danke,... ich meine das ernst.“

(Sie reicht ihm die Hand.)

Emanuele: „Gern geschehen, dann bis morgen um 09:00 Uhr.“

(Nimmt die Hand.)

Julia: „Bis morgen 9:00 Uhr ...“

(Sie dreht sich um und geht hinaus.)



Emanuele saß noch einige Minuten alleine und ließ sich das seltsame Gespräch durch den Kopf gehen. Dass Max ihn etwas unverschämt angrinste störte ihn nicht einmal mehr. Tief im Innern freute er sich schon auf den nächsten Morgen. … … …

Und wenn wir Glück haben, legen sich Verena Ebner und Manuela Maer auf die Lauer und schauen zu, was bei diesem Termin passiert.
Danke fürs Reinlesen.
Eure Autorinnen Verena Valmont und Manuela Maer